Versorgungssteuerung
Vertragswettbewerb
Als die freie Wahl der Krankenkassen Mitte der 1990er-Jahre eingeführt wurde, war das der Startschuss für lebhaften Krankenkassenwettbewerb. Wettbewerb in der durch das Solidarprinzip gekennzeichneten gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist aber kein Selbstzweck, sondern in erster Linie ein Steuerungskonzept. Damit der Kassenwettbewerb zu mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung im Interesse aller Versicherten und Patienten führt, sind neben dem Risikostrukturausgleich als „technischem Kern“ der GKV-Wettbewerbsordnung weitere Ordnungselemente erforderlich. Dazu zählen vor allem ausreichende Wettbewerbsparameter der Krankenkassen und ihrer potenziellen Vertragspartner, insbesondere im Hinblick auf Selektivverträge. Hieran versucht sich der Gesetzgeber seit über zwei Jahrzehnten unaufhörlich von Neuem, bis heute jedoch mit unzureichenden Resultaten.
Seit dem 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) sind die vertragswettbewerblichen Spielräume einzelwirtschaftlicher Akteure, also der Krankenkassen auf der einen und der Leistungserbringer (einzeln oder in Gruppen) auf der anderen Seite, Schritt für Schritt sogar wieder kleiner statt größer geworden. Die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Anbietern von Versorgungsleistungen sind nach wie vor weitgehend durch ein enges Netz an plan- und kollektivwirtschaftlichen Detailvorschriften geprägt. Die konsequente Förderung vertragswettbewerblicher Steuerungsstrukturen mit Selektivverträgen, die zugleich einen Beitrag zur Entwicklung innovativer, zum Beispiel sektorenübergreifender Versorgungsformen leistet, steht deshalb weiterhin auf der gesundheitspolitischen Reformagenda.
Neue Versorgungsformen
In diesem Themenfeld beschäftigt sich das WIdO sowohl mit einem umfassenden vertragswettbewerblichen Gesamtkonzept einschließlich der Kompatibilität zwischen Selektiv- und Kollektivverträgen als auch mit spezifischen Fragen, wie sich die Möglichkeiten für Selektivverträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern weiterentwickeln lassen. Dazu zählen auch Versorgungs- und Organisationsformen wie die Hausarztzentrierte und die Integrierte Versorgung sowie Medizinische Versorgungszentren. Dabei stellt das WIdO hergebrachte Organisationsstrukturen der medizinischen Leistungserbringung und sektoral begrenzte Zuständigkeiten bewusst in Frage. Entsprechend nimmt die Analyse von Ausgestaltungsvarianten und Umsetzungsmöglichkeiten neuer, insbesondere sektorenübergreifender Versorgungsformen einen wichtigen Stellenwert in der Arbeit des WIdO ein.
Sicherstellung der Gesundheitsversorgung
Fehlende Ärzte in ländlichen Regionen, Überversorgung in Ballungsräumen – solche Gegensätze in der medizinischen Versorgung in Deutschland werden sich angesichts der demografischen Entwicklung in Zukunft noch weiter verschärfen. Immer mehr ältere Menschen mit immer mehr chronischen Krankheiten – oftmals zudem in Verbindung mit Pflegebedürftigkeit – stellen neue Anforderungen an die Versorgung. Außerdem weist speziell die Gesundheitsversorgung von Pflegebedürftigen erhebliche Defizite auf.
Vor dem Hintergrund dieser und weiterer, insbesondere sektorenübergreifender Versorgungsperspektiven stellt sich zunehmend die Frage nach der zweckmäßigen Ausgestaltung und Zuordnung der Sicherstellungsverantwortung. An der Suche nach überzeugenden Antworten auf diese Frage ist immer wieder auch das WIdO aktiv beteiligt.